Sonntag, 16. November 2014

Innenansichten von…

 PRAG
Prag bei Nacht, fotografiert zwischen Petrin und Prager Burg

Das gefundene kleine Paradies

Hlavní město Praha, Hauptstadt Prag - ein Synonym für laute Geschäftstätigkeit, quirliges Leben und Preise, die man kaum in irgend einem Dorf hinter'm Wald bezahlen würde. Wer hier Ruhe sucht, hat es schwer. Und doch: Kaum 400 Meter von Prags teuerstem Pflaster, der Pariser Straße, und vielleicht nur 350 von Prags berühmtester Brücke, der Karlsbrücke, entfernt, findet man – wenn man weiß, wie und wo man suchen muß – ein kleines Paradies! Einfach, gut, zu volkstümlichen Preisen und frei von jeglichem touristischen Geschäft - eine Prager Kellerkneipe. Vor knapp 20 Jahren eher zufällig entdeckt, hat sich in ihr außer der Farbe an den Wänden und den Preisen nichts geändert. Unscheinbar und als Gasthaus für Touristen kaum erkennbar, versteckte sich im Jahr 1995 die Lokalität vor der touristischen Öffentlichkeit – aus gutem Grund: Dem Otto-Normal-Prager wurde wegen der vielen Touristen die eigene Stadt zu teuer – da blieb man gerne unter sich. In manchen Gasthäusern wurden schon damals Preise verlangt, die man eher in Berlin oder München erwartet hätte, jedoch nicht in der Hauptstadt eines gewesenen Ostblock-Landes.
Prag, Straßenscene. Das "Paradies" ist nicht weit… :-)
Aber doch, zwei Änderungen gibt es mittlerweile schon. Das unscheinbare Schaufenster der „oberirdischen“ Bierstube ist nicht mehr zu „Tarnzwecken“ mit Zeitungspapier beklebt, sondern bietet jetzt den freien Blick auf eine namhafte Straßenbahnhaltestelle in der Innenstadt, und die ramponierte Haustür wurde immerhin mal renoviert, so daß sie einer Gastwirtschaft würdig ist. Ansonsten hält man sich mit Außenwerbung scheinbar absichtlich zurück. Egal, die Prager finden ihr Ziel auch ohne große Werbeschilder.
Damals, bei meinem ersten Besuch, kostete ein Teller Gulasch mit den typischen böhmischen Knödeln an der Karlsbrücke bereits 12,- Mark, das gleiche Essen hier nur 50 Kronen (damals 3,50 D-Mark). Die Karlsbrücke ist, könnte man "um die Ecke guggen", in Sichtweite. Vornehmlich asiatische und russische Touristen, aber auch viele deutsche Gäste haben nach der politischen Wende und Grenzöffnung für einen rasanten Preisanstieg gesorgt. Welcher Tscheche konnte sich da 12 Mark für einen Gulasch leisten?! Nach den vielen Jahren hat sich die Situation etwas beruhigt, und mit den Preisen sind auch die tschechischen Löhne etwas gewachsen, aber der Abstand zwischen Möglichem und Unmöglichem ist geblieben. Und so ist auch heute noch eine preiswerte und typisch Prager Gastwirtschaft tatsächlich ein kleines Paradies für den Durchschnitts-Tschechen und auch für den wissenden Durchreisenden.
Im "Paradies", nach dem Ansturm…
Tschechen unter sich, beinahe nur tschechische Laute dringen an meine Ohren. Am Nachbartisch sitzt aber doch ein Ausländer, ein junger Pole mit seiner tschechischen Freundin. Trotz der sprachlichen Nähe beider Völker haben die jungen Leute Verständigungsprobleme und unterhalten sich deshalb lieber auf englisch oder deutsch. An meinem Akzent erkennt der Kellner, daß er etwas Seltenes in seiner Wirtschaft vor sich sitzen hat – einen Deutschen. „Eine deutsche Speisekarte haben wir hier nicht“  entschuldigt sich der Kellner freundlich, aber betont (die Betonung scheint auf hier zu liegen) . Macht nichts, sage ich, und bestelle zunächst scherzhaft „třikrát P“ („dreimal P“, also pivo, popelník, peníze, soll heißen: Bier, Aschenbecher und Geld). „Wie bitte? – Ach so!“ :-) - was meinen Tischnachbar amüsiert und den Kellner zum Lachen bringt. „Ty jsi exot – ale prosím!“ (Du bist ein Exot, aber bitteschön!) meint er und serviert das Gewünschte – allerdings hat er das Wort „Geld“ dann wohl doch überhört :-) … Dazu ordere ich ein Hühnchensteak im Kartoffelpuffer und mit Käse überbacken – für 100 Kronen (knapp 4 Euro!), das ist für das heutige Prag geradezu sensationell! Ein gut gekleideter Herr klappt neben meinem Teller seinen Computer auf und tut geschäftig. Mein Gegenüber schimpft derweil auf die Politik und spült seinen Ärger mit einem Slivowitz hinunter. An den Nachbartischen werden Unmengen von großen Essensportionen aufgetragen, leckere böhmische Küche eben. Jemand reißt einen derben Witz und der Kellner verschüttet vor Lachen das Bier. „Schade um jeden Tropfen, Du verschüttest das Brot des Volkes!“, kommentiert schmunzelnd ein Gast. Ich genieße das Treiben eine längere Zeit aus meiner Beobachter-Ecke des Raumes und studiere zwischendurch die Zeitung. Als der Raum sich leert, rufe ich den Kellner. „Noch ein Bier?“ Nein, ich muß gehen, schade!
Beim Bezahlen frage ich ihn dann aus Spaß: Herr Ober, wo geht es in Prag zum Paradies? Er grinst und sagt: „Zůstaňte tady!“ - Bleiben Sie hier! Aha, so einfach ist das…, - doch das geht leider nicht. Aber bei meinem nächsten Prag-Besuch werde ich es ganz bestimmt wieder aufsuchen, mein kleines gefundenes Paradies!
So funktioniert Prag! Ach, wo die Kneipe ist? Das bleibt mein kleines Geheimnis…

(2014)

Montag, 7. März 2011

Lichtblicke im Greizer Park

Der Winter will und will nicht weichen. Die globale Klimaerwärmung scheint zumindest diesmal irgendwie bei ihm nicht angekommen zu sein. Kaum daß die Sonne es mal schafft, ihre Strahlen bis zum Erdboden reichen zu lassen, laufen die nach Frühlingsluft lechzenden Erdenbürger hinaus in die Natur, um etwas davon einzufangen. Doch ehe man sich versieht, verschwindet das noch wenig wärmende Sonnenlicht hinter einer Wolke, einem Hügel oder was sich sonst noch so bietet und läßt uns frierend nach etwas suchen - eben nach einem neuen Lichtblick. Genau das habe ich heute im Greizer Park auch versucht.

Mit dem Fotoapparat etwas von dem erheischen, was für die Jahreszeit normal wäre - Schneeglöckchen zum Beispiel. Irgendwo sollen sie in Greiz angeblich schon aufgetaucht sein, doch auf meiner Tour gab's nichts dergleichen! Oder vielleicht die grünen Spitzen sich zum Licht reckender Krokusse? Fehlanzeige! Der Greizer Park, sonst immer ein Glanzpunkt der Stadt, verbreitet zur Zeit mit seinen braunen Farbtönen kaum Vorfreude auf den Frühling, sondern eher das Bild von Melancholie und Trauer. Wenigstens der Schloßturm thront hoch und schlank über dem Park und ragt, vor einigen Jahren frisch "lackiert", wie ein göttlicher Fingerzeig hell in den Himmel. Nach längerem Suchen fand ich dann aber in der Nähe der Hammerscheune doch einige Vorboten des Frühlings, auch wenn sie sich noch recht zaghaft zeigten - die ersten Weidenkätzchen, also doch ein Lichtblick!

Am "hinteren" Parkausgang gab es dann einen Lichtblick der besonderen Art: Die Familie Du Maire feierte nach 20 erfolgreichen Jahren und umrahmt von vielen Blumengaben ihrer Gäste das Jubiläum ihrer Wirtstätigkeit in der Greizer Parkgaststätte. Herzlichen Glückwunsch, ich wünsche immer ein volles Haus!

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Anderenorts ging zum 1. März das Licht aus - in der Gastwirtschaft "Zum Brunnen" auf dem Greizer Markt. Ein wirklich hübsches Gasthaus, doch ein glückliches und gastliches Händchen war in der Vergangenheit bereits einer Reihe von Betreibern verwehrt. Jedoch sollten wir nicht traurig sein und die Schließung vielmehr unter dem Aspekt betrachten, daß dieses Ende dem Gasthaus hoffentlich die Chance gibt, künftig von einem Profi betrieben zu werden (wer will, kann hier getrost zwischen den Zeilen lesen :-) ), denn optisch hätte es dies wirklich verdient! Das wäre dann auch wieder ein Lichtblick!

In der Nähe des Schwanenhauses stehen am noch immer zugefrorenen Parksee die Luftwurzeln eines alten Baumes am Ufer, von denen der Greizer Nachtwächter im Schein seiner Laterne den kleinen Gästen manchmal erzählt, es  seien zu Holz gewordene spukende "Parkgeister". Das macht die Nachtwanderung durch den Park für die sonst so aufgeweckten (manchmal vorlauten…) Kinder dann doch immer etwas gruselig und läßt sie leiser werden, sehr zur Freude der mitlaufenden Eltern. Bei Tage haben meine Gäste die Wurzeln auch schon einmal als eine sich unterhaltende Gartenzwergfamilie interpretiert…, schau an, was wir in Greiz alles haben :-) ! Fleißige Parkgeister gibt es neuerdings tatsächlich. Mit der Parkpflege stand es in den letzten Jahren nicht unbedingt zum Besten. Seitdem man begriffen hat, daß man doch nicht jede Arbeit "outsourcen" kann (auch wenn es bis zur Erkenntnis lange dauerte…) und eine neue Parkverwalterin samt eines richtigen "eigenen" Gärtners (keine Fremdfirma!) ihren Dienst aufgenommen hat, sind deutliche Spuren der neuen "Parkgeister" überall auszumachen. Vom Gehölzschnitt bis zum Wegebau - ein tatsächlicher Lichtblick! Und auch wenn die frischen Maulwurfshügel nicht in jedem Falle eine Freude für Gärtner sein dürften, Frühlingsboten sind sie allemal!

Ein bisher von der Öffentlichkeit fast unbemerkter Lichtblick offenbart sich dem aufmerksamen Parkbesucher am Eingang des Sommerpalais', denn hier haben fleißige Malersleute sich bereits im vergangenen Jahr darin versucht, dem Mittelteil der Südfassade ein freundliches Äußeres zu geben - endlich!!! Viel Geld ist  in das "dritte Greizer Schloß" investiert worden, und die Maler kommen auf jeder Baustelle eben immer zuletzt. Und wenn der Winter nun hoffentlich bald zu Ende ist, wird man sicherlich auch die Maler bald wieder antreffen.

Ein frisch aufgestelltes Schild kündet nahe der Luftbrücke vom neuen Elsterperlenweg, der mitten durch den Park führt, eine touristische Bereicherung und auch ein Lichtblick ist. Wenn wir doch nur endlich auch soweit wären, den potentiellen Touristen eine ausreichende Anzahl Hotelbetten anbieten zu können (!), dann wäre das ein Ausdruck von Gleichklang und guten Konzepten. Hier ist Verschlafenes nun im Eiltempo nachzuholen, denn unsere Nachbarn zeigen uns schon lange, wie man's richtig macht. Wie war das nochmal, "überholen ohne einzuholen…" oder so ähnlich :-), das wird ein Kraftakt! Hoffen wir das Beste und vor allem darauf, daß dabei Profis zu Werke gehen und den verkündeten Worten auch Taten folgen! Mahnend genug steht sie ja da, die Schloßturmspitze, als tatsächlicher Lichtblick am kalten Abend dieses Spätwintertages. 
Jedenfalls habe ich wider Erwarten doch noch einige Lichtblicke gefunden.
Doch jetzt wird's dunkel, deshalb wünscht der Nachtwächter allen Frühlingssuchenden eine GUTE NACHT!


Sonntag, 9. Januar 2011

Es taut…

Auf doppelte Breite angeschwollen - die Weiße Elster in Greiz
Es taut. Ein Fluch? Ein Segen? Der sonst so beschauliche Fluß nimmt bedrohliche Ausmaße an, der  Greizer Pegelstand beträgt jetzt 3,17 m, im Normalfall sind es etwa 2 Meter weniger. Unser Vogtlandstädtchen versank seit dem 26. November des vergangenen Jahres kontinuierlich im Schnee. Der Greizer Bahnhof,  im Elstertal gelegen, wird mit 265 Metern über NN angegeben. Daß wir in dieser niedrigen Höhenlage schon einmal soviel Schnee hatten - daran können sich sogar die Alten kaum erinnern. Je nachdem, wohin der Wind den Schnee wehte, waren das bis zu 70 Zentimeter, erstaunlich, schließlich geht's im Vogtland bis knapp unter die 1000 Meter, und wir sind dabei "nur ganz unten". Die Tage nach Weihnachten brachten die Erkenntnis, das heimische Balkondach schleunigst von der mehr als halbmeterhohen Schneelast zu befreien, bevor es sich davon krachend selbst befreit. 
In einer Nacht auf 52 cm angewachsen - wieviel wiegt eigentlich ein Kubikmeter der Flockenpracht auf dem Dach?
Unser städtischer Winterdienst ist auch nicht immer auf der Höhe der Zeit - oder des Neuschnees. Natürlich kann er nicht überall gleichzeitig räumen, wer das verlangt, der kommt vom Mond. Allerdings: Von zuständiger Stelle wird telefonisch versichert, daß man täglich räume und ergeht sich in einigen unpassenden Ausreden und Verbalien (ich zitiere den städtischen Sachgebietsleiter: "Dann bringen Sie's doch in die Bild-Zeitung!"), doch das Räumauto hinterläßt nach mehreren Wochen "täglichen Räumens" (besser: Salzens!) und "getaner" Arbeit auf dem Bürgersteig 15 cm tiefe Reifenspuren und eine wahrlich "gesalzene" Schneemehlpampe dazwischen. Nun, es ist ja gar nicht nötig, daß der Bürgersteig längs der Elster täglich geräumt wird (dieser Bürgersteig ist nur ein Beispiel…) - aber alle paar Tage mal richtig schieben und weniger salzen, dann entstehen der Brei und der Ärger erst gar nicht. Stattdessen werden die Greizer lieber  amtlich veralbert und das ohnehin knappe Streusalz ohne Sinn auf den hohen Schnee gestreut in der Hoffnung, daß sich dann alles von selbst erledigt. Das ist offenbar einfacher. Der Stadtrat allerdings applaudiert dem Winterdienst für seinen schweren Dienst, der tatsächlich zu nächtlichen Zeiten beginnt, wenn auch mein Bäcker die ersten Semmeln in den Backofen schiebt. Ein ganz normaler anstrengender Job, wofür er wahrscheinlich niemals Beifall bekommen wird, denn von einem Bäcker erwartet man das  als Selbstverständlichkeit - doch er hätte den Beifall nicht ebenso verdient!? Würde man einem Bäcker applaudieren, wenn er das Brot nur halb ausbäckt? Wenn der Räumdienst zwar fährt, aber das Schiebeschild aus Zeitgründen nicht benutzt (und dabei tatsächlich halbe Arbeit leistet, weil Salz streuen ohne Schieben schneller geht) und vor allem den Alten damit das Einkaufen unmöglich macht, dann hält sich der Beifall der Bürger in Grenzen.